Zum Einstieg
Im Folgenden soll eine Typologie der Interviewformen entwickelt werden. Diese kann und will keine erschöpfende Auflistung aller möglichen Varianten von Interviews im non-fiktionalen Film sein, sondern versteht sich als idealisiertes Modell, als methodisches Werkzeug. Ein Modell schafft Ordnung, dort wo die Vielfalt der Erscheinungen eine solche zunächst nicht zulässt oder zumindest nicht erkennen lässt. Sein Wert besteht also darin uns Erklärungsstrukturen für bestimmte Phänomene zu liefern und uns damit eine gewisse Verfügbarkeit oder Kontrolle über die beschriebenen Dinge zu verschaffen. Erst dadurch, dass wir Dinge in Begriffe packen (man beachte die Nähe zu „greifen“, „befassen“, „anfassen“) wird es uns möglich, mit diesen umzugehen. Das jedoch zum Preis der Reduktion, der Vereinfachung und Auslassung. Ein Modell wählt eine begrenzte Menge an wesentlich erscheinenden Aspekten aus und entwickelt aus diesen einen Maßstab für die Realität , eine Art Idealtypus.
Die hier vorgestellte Typologie baut auf den von Edmund Ballhaus (Ballhaus 2003) vorgeschlagenen Formen auf und ergänzt diese durch einige weitere. Dabei wurde Ballhaus Modell mit einem Korpus von über 30 non-fiktionalen Filmen mit starkem Interviewanteil verglichen und darauf geachtet, ob nicht Muster hervortreten, die von diesem nicht abgedeckt werden. Um einen Typus zu begründen darf ein bestimmtes Muster nicht nur einmal auftauchen, sondern muss sich bewährt haben. Das bedeutet, dass sich ein neuer Typ nicht nur durch seine Unterschiedlichkeit zu den schon bestehenden Typen hervortut, sondern auch durch seine relative Häufigkeit. Wenn sich ein bestimmtes Muster, eine bestimmte Vorgehensweise bei der Durchführung und Darstellung von Interviews als Konvention etabliert zu haben scheint, und diese Art des Vorgehens nicht mit den schon bestehenden Formen zusammenfällt, ist es legitim von einem neuen Typ zu sprechen.