Die ersten Interviews im Nonfiktionalen Film
Die ersten beiden Beispiele für das gesprochene Wort im Nonfiktionalen Film finden sich sehr früh. Bereits 1934 und 1935 fand der Synchronton in zwei Filmen Anwendung. Hierbei handelt es sich um TRI PESNI O LENIN von Dsiga Wertow (UdSSR 1934) und HOUSING PROBLEMS (UK 1935) von Edgar Anstey und Arthur Elton.
Die DREI LIEDER ÜBER LENIN Wertows lassen Bauern und einen Ingenieur über die industriellen und landwirtschaftlichen Errungenschaften des jungen Sovjet-Sozialistischen Staates und seines verstorbenen Führers Lenin sprechen. Zum Ende des Filmes tauchen die Personen in kurzer Folge nacheinander auf, um Statements zu den Kollektivistischen Farmen und einem Staudammprojekt zu geben. Die Worte werden teils direkt in die Kamera gesprochen und teils als Off-Kommentare verwendet. Es ist davon auszugehen, dass diese Bilder im Studio entstanden, sie dienen dazu, drei Lobeshymnen auf Lenin Gesichter zu verleihen und gleichwohl das Kollektiv durch Einzelne sprechen zu lassen, die sich gern in ihrer Arbeit einem Höheren hingeben.
In dem 1935 entstandenen Film der englischen Filmemacher und späteren Produzenten Edgar Anstey und Arthur Elton, handelt es sich um eine Sozialkritische Documentary über die desolate Wohnsituation in den damaligen englischen Arbeiterghettos. Die beiden Regisseure entstammten direkt dem Umfeld des sich der Volksbildung verschrieben habenden Dokumentarfilmers John Grierson, der die englische Sozialdokumentaristen Bewegung begründete. Letzterer arbeitete zunächst als Assistent Film Officer bei dem staatlichen Empire Marketing Board, und gründete nach seinem ersten Filmerfolg DRIFTERS (UK 1929) das Empire Marketing Board Film Unit, für das er Filmer engagierte und ihre Arbeiten finanzierte. Auf Grierson geht auch der Begriff Documentary zurück.(Musser 1996:292) In HOUSING PROBLEMS kommen erstmals Arbeiter selbst zu Wort und berichten über ihre desolate Wohnsituation. Die erzählenden Monologe der Arbeitermänner und -frauen sind großteils in Innenräumen aufgenommen worden und in einem Fall auch im Freien vor einem der maroden Häuser. Bemerkenswert erscheint die auch nach über siebzig Jahren noch beachtlich Qualität der Aufnahmen. Als Lösung der Wohnungsnot wird aus dem Off – zu Aufnahmen von modernen Hausmodellen – eine Räumung der Elendsviertel und die Umsiedlung in neue freundlichere Gebäude empfohlen. Zu guter Letzt spricht somit eine Stimme aus dem Off für die zuvor noch befragten Arbeiter und zieht einen überlegenen Schluss aus deren Aussagen.