Vorgeschichte
„Interviewer (engl., spr. interwjū-er, v. interview, »Zusammenkunft«), Vertreter oder Berichterstatter einer Zeitung, der zum Zweck publizistischer Verwertung Persönlichkeiten von hervorragender Bedeutung besucht und sie über ihre Meinungen und Absichten ausfragt. Das Institut der I. ist von englischen und amerikanischen Zeitungen ausgegangen und dann in allen übrigen Ländern nachgeahmt worden.“ (Meyers Konversations-Lexikon)
Der gedruckte Dialog in einfach schematisierter Form lässt sich mindestens seit dem griechischen Theater finden, nur ist diese Form zumeist als fiktive Vorlage und Anleitung für ein folgendes Bühnengeschehen verfasst worden. Eine Ausnahme bilden hier evt. die platonischen Dialoge, die zuvor auf den Straßen des antiken Athens stattgefundene Gespräche darstellen wollen; natürlich sind diese Wiedergaben alles andere als authentisch und wahrscheinlich auch nicht als solche intendiert. Aus der Renaissance und der Neuzeit sind uns ebenfalls Formen des gedruckten Dialoges bekannt, die nicht aus dem Theater stammten, beziehungsweise nicht für die Bühne entworfen wurden. So zum Beispiel die galilaeischen Dialoge (um nur eines von vielen zu nennen), in denen der Dialog zwar zu einer argumentativ perspektivischen Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Themen diente, vor allem jedoch ein Mittel war die eigenen – für gewisse machtvolle Institutionen unliebsamen – Ansichten zu verschleiern indem der Autor ein Alter Ego für sich sprechen ließ. Bei den erwähnten Texten handelt es sich um fiktive Narrationen, die jedoch in ihrer Form jenen Texten entsprechen, die im Printjournalismus als Interviews bezeichnet werden. Entgegenhalten kann man Gerichtsprotokolle, die aufgrund tatsächlich stattgehabter Befragungen verfasst wurden, jedoch in einer nacherzählenden Form (nicht in direkt schematisch – dialogischer) aufgezeichnet wurden.
Die ersten Presseinterviews stammen samt aus dem Bereich des human interest stories und wurden von Polizeireportern geführt. Die Geschichten von spektakulären Mordfällen wurden, zu Anfang des 18. Jahrhunderts zunächst in England und bald darauf in den USA, in der sogenannten penny press abgedruckt; hierbei handelte es sich um kostengünstige Zeitungen, die vor allem für eine immer weiter alphabetisierte Arbeiterschaft vertrieben wurden.(Haller 2001:22f)
Der Pressehistoriker Nils Gunnar Nilson datiert das erste Presseinterview auf das Erscheinungsdatum 16.April 1836. An diesem Tag wurde im New York Herald die Befragung James Gordon Bennetts mit Rosina Townsend, einer Zeugin in einem Mordprozess, in einem direkten Frage-Antwort-Muster abgedruckt. Bereits im Laufe des Jahres 1835 waren mehrere Interviews – allerdings zumeist in nacherzählender Form – abgedruckt worden.(Nilson 1971:708ff) Ab den 1850ern erfreute sich das Interview immer größerer Beliebtheit in der Presse, wobei es zugleich als literarisch eher arm, unter vielen Journalisten geächtet wurde.
Ein kritisches Presseinterview war in Deutschland über die gesamte Kaiserzeit nicht möglich. Ebenso wenig in der Weimarer Republik, da die Presse hier zumeist bloße Meinungsmedium mit starker Parteibindung war. In der NS-Zeit war aufgrund einer völlig gleichgeschalteten Medienlandschaft an etwas wie eine kritische Öffentlichkeit nicht zu denken. Das kritische Journalistische Interview im Printbereich konnte sich aufgrund der politischen Rahmenbedingungen nicht annähernd so frei entwickeln wie dies in anderen Staaten, allen voran der USA, der Fall war.