Zum Einstieg
Nach einigen Einleitenden Worten will ich im ersten Teil dieses Textes „Früh-und Vorgeschichte des Interviews“ kurz auf die kulturelle Tradition des niedergeschriebenen Zwiegesprächs eingehen und dann erläutern wer – dem Stand der pressehistorischen Forschung nach – wahrscheinlich die ersten journalistischen Interviews geführt hat. In dem Exkurs zur Ethnologie wird gezeigt wie das Interview zum Kern dessen wurde was wir heute qualitative Sozialforschung nennen, und kurz auf den ethnographischen Film eingegangen werden. Der Abschnitt Frühes Radio und Fernsehen beschäftigt sich mit den ersten Radio- und Fernsehversuchen, somit auch mit dem schon zum Beginn dieser neuen Medien häufig angewandten Interviews als Darstellungsform. Das fünfte Kapitel behandelt auf die beiden wahrscheinlich ersten Interviews im Nonfiktionalen Film. Unter dem Textpunkt Interview und Fernsehen werden klassische Beispiele der Interviewführung im deutschen Fernsehen verhandelt. Hier geht es um klassisch journalistische Sendeformate. Die Passage Cinema Verite und Direct Cinema beschäftigt sich mit den Pionieren der genannten nonfiktionalen Filmweisen und den technischen Voraussetzungen für ihr Schaffen. Im darauffolgenden Abschnitt werden die Werke der Stuttgarter Schule, Klaus Wildenhahns und – um ein Beispiel aus dem amerikanischen öffentlich rechtlichen Fernsehen zu nennen – Frederick Wisemans vorgestellt. Im nächsten Punkt wird darauf eingegangen, wie sich – ausgehend von den in den sechziger Jahren entwickelten – neuen Fragen an Gesellschaft und Geschichte auch neue Formen des Dokumentarischen und des Interviews entwickelten. Daraufhin wird im zehnten Kapitel kurz auf einige technische Innovationen der letzten Jahrzehnte eingegangen werden, um letztlich einen Ausblick von momentanen Entwicklungen aus zu gewähren.
Zunächst soll die Genese des filmischen Interviews von der klassischen Presse und vor allem der Qualitativen Sozialforschung über Radio und Fernsehen bis hin zum Nonfiktionalen Film nachgezeichnet werden. Dargelegt werden wie sich das filmische Interview entwickelte und mit neuen technischen, politischen und materiellen Bedingungen neue Formen fand. Es ist wichtig auf dem Weg zum Nonfiktionalen-Interviewverwendenden/-basierten-Film vom Rundfunkjournalismus auszugehen, weil wir hier die ersten Interviews finden können, welchen der Rezipient in voller sinnlicher Tiefe beiwohnen konnte. Mit dem Radio wird die schriftliche Ebene um eine auditive und mit dem Film um eine visuelle Ebene erweitert, welche auch die Aufnahme von Körpersprache ermöglicht und so dem natürlichen Gespräch sehr nahe kommt.
Aufgrund fehlender Synchrontontechnik, wie zu unhandlichen und zu lauten Kameras war es lange nur bedingt möglich ausgiebig O-Töne aufzunehmen und zu filmisch-dokumentarischen Zwecken zu verwenden. Außerdem ist es ohnehin fraglich in wie weit es überhaupt Absichten – sowohl in der Wissenschaft als auch im Journalismus – dazu gab die Dargestellten selbst zu Wort kommen zu lassen. Im Kino hatten sich seit den Zeiten der russischen Avantgarde Konventionen verfestigt, die sich im Documentary-Stil gemachten Wochenschauen und Kulturfilmen, in den sozialkritischen Filmen der von John Grierson geförderten Filmer und den älteren Formen des Nonverbalen-Dokumentarfilms ausdrückten. Diese festen Formen waren nur schwer zu durchbrechen.
Neue Medien zwingen ihre Anwender dazu sich in ihnen auszuprobieren, um ihre Möglichkeiten, Grenzen und Inhalte zu erforschen und sich dienlich zu machen. Diese neuen Medien waren mit dem Kino zunächst Radio, später das Fernsehen. Das direkte Gespräch zwischen zwei Menschen konnte medial übermittelt werden. Noch etwas später sind es die Entwicklungen von kleinen Handkameras und handlichen Synchrontonaufzeichnungsgeräte die zu einer regelrechten Revolution innerhalb des Nonfiktionalen (ebs wie des fiktionalen!) Films führten. Für den Nonfiktionalen Film spielt auch das institutionelle System des öffentlich rechtlichen Rundfunks eine wichtige Rolle, da es Gelder für Experimente innerhalb des Nonfiktionalen Films zur Verfügung stellen konnte – schlichtweg Filmern ihre Arbeit entlohnte – für Materialkosten aufkam und die Filme über das Massenmedium Fernsehen distribuierte. Die Kosten allein des Filmmaterials dürfen nicht unterschätzt werden! Außer Frage steht jedoch auch, dass das Fernsehen nach einer Zeit relativer Experimentierfreudigkeit, die meisten jungen Filmer, die mit ihm kooperieren wollten die Fesseln eines immer rigider werdenden Formatprogramms aufzwang.
Erst mit dem Aufkommen der Videotechnik und ihrer späteren Massenproduktion – sowohl der Videokamera und günstiger werdender Bildträger(oder auch schon des Super-8 Films einige Dekaden zuvor) – wurde es möglich viel Material zu vergleichsweise geringen Kosten aufzunehmen. Mit der Verbreitung der Digitaltechnik, immer größerer Speichermedien, bei immer höherer Leistung der Aufnahmegeräte und einer hohen Streuung von hochauflösenden Kameras – bis in jedermanns Hosentasche – können geradezu endlose Mengen an Audiovisionen aufgenommen und über Internet zugänglich gemacht werden. Hier kann nun tendenziell jeder zum Dokumentaristen seiner selbst und seiner Umwelt werden. Für die langjährig erfahrenen Dokumentaristen gestaltet sich das Durchkommen in Anbetracht steigender Konkurenz und veringerter Ausgaben der Sender für aufwendig recherchierte Projekte als zunehmend schwieriger.
Naturgemäß können im Rahmen einer Seminararbeit nicht alle eventuell relevanten Filmbeispiele und Traditionslinien herausgearbeitet werden, da die Quellenlage über das Interview im Nonfiktionalen Film, seine Formen und Genese bisher sehr dürftig ist. Dieser Text kann lediglich den Versuch darstellen eine erste Ordnung in die raren und eher verstreuten Materialien zu bringen.