Frühes Radio und Fernsehen
Auf dem Weg zum gefilmten Interview stellt das Radio eine wichtige Station dar, hier ist die Möglichkeit gegeben dem Journalisten geradezu bei seiner Arbeit zuzuhören. Anders als bei literarisierten, und dementsprechend zur Leserlichkeit hin modifizierten Interviews, kann hier dem Gesprächsverlauf in Echtzeit gefolgt werden. Nicht verschriftlichte Parameter, wie die Sprechgeschwindigkeit, Betonungen und Tonalität der Sprecher können mitangehört werden.
Nachdem am 19. November 1919 der Ingenieur Schotanus à Steringa Idzerda begonnen hatte ein erstes regelmäßige Radioprogramm auszustrahlen, folgten im Laufe der folgenden Jahre viele private und staatliche Stationen. Die erste Radiostation in den USA startete ab dem 2.November 1920 in Pittsburg den Betrieb, England folgte 1922 und in Deutschland wurde ab dem 29.Oktober 1923 vom Voxhaus Berlin aus ein festes Radioprogramm gesendet. In Deutschland waren Streitigkeiten um die Zuständigkeit des Reichspostzentralamtes und dem klassischen Rundfunk sowie Diskussionen um ein sinnvolles Programm vorausgegangen.(Düssel 2010:26,31; Hickethier:29ff)
Da im frühen Rundfunk so gut wie alle Sendungen live ausgestrahlt wurden und man lediglich Konzerte berühmter Dirigenten oder Reden großer Politiker auf Schellackplatten aufzeichnete, ist die Quellenlage sehr schlecht. Nur mit Mühe konnten überhaupt Sendekonzepte und Programmstrukturen rekonstruiert werden.(Düssel 2010: 45ff) Wichtig ist hier festzuhalten wie die ersten Gesprächssendungen konzipiert waren und in welcher Tradition sie standen.
In den USA gibt es die Tradition der town-hall-meetings, bei denen sich die Bürger einer Gemeinde in der townhall versammeln, um über politische und kulturelle Fragen zu diskutieren beziehungsweise den Diskussionen von Volksvertretern und Experten zu lauschen. Genau diese Tradition setzte sich im Radio fort, unter anderem mit Sendungen wie „America`s Town Hall Meeting on the Air“ (ab1935) und mit der Ausstrahlung von Gruppengesprächen zu aktuellen Themen. Früh gab es bei einigen dieser Sendungen schon die Möglichkeit für Zuhörer per Telefon Nachfragen zu stellen([Keller 2009: 24ff)
In der Weimarer Republik wurde das Radio schnell als Instrument der Volksbildung – und Bindung – entdeckt, häufig wurden Weiterbildungskurse zu verschiedenen Themen ausgestrahlt. Auf Anregung des Programmdirektors Hermann Schubotz´ hin, wurden Sprachkurse in dialogischer Form ausgestrahlt und zu Vortragenden gesellten sich bald Fragesteller, die den Zuhörer vertraten und in seinem Namen Nachfragen stellten. Das Radio sollte auf unterhaltende Weise bildend sein und Zuhörer aller Schichten sollten dem Programm folgen können. Der Hörer konnte sich in dem Fragenden wiedererkennen.(Keller 2009:60ff) Im Laufe der 20er Jahre fanden immer mehr Hörfunkgespräche statt, aus Zwiegesprächen wurden Gruppengespräche – Interviews in Gruppendiskussionsform unter dem strengen Reglement der Überwachungsausschüsse zur Kontrolle der politischen Radioinhalte und der Kulturbeiräte – gesendet. Hans Flesch und Hermann Schubotz vom bildungsoldrientierten Sender Deutsche Welle setzten ab 1927 die Sendung GEDANKEN ZUR ZEIT durch, in der das „Mehrgespräch“ und der „Kontradiktorische Vortrag“ regelmäßig angewandt wurden. Hier ging es zunächst um Themen der Kultur, Kunst und Wirtschaft später – nach einer entsprechenden Gesetzesänderung 1928 – auch um politische Themen.[
(Keller 2009:63-67)
Nach ersten Ausstrahlungsversuchen 1930 in New York und London, sendete der erste Fernsehsender mit regelmäßigem Programm aus , und bloß in, Berlin; der Fernsehsender Paul Nipkow startete 1935 im Wettlauf gegen die 1936 ihr Programm beginnende BBC. Nach ersten Unstimmigkeiten über die genauen Zuständigkeiten wurde die inhaltliche Planung der Fernsehanstalt bald dem Propagandaministerium unterstellt.
Die englische BBC wurde durch Hörfunkgebühren finanziert, wohingegen sich in den USA sowohl die großen Werbefinanzierten Networks (NBC,RCA,CBS), als auch zahlreiche Lokalsender etabliert hatten und auch in das Fernsehgeschäft einstiegen.(Hickethier:35-39) Neben Schauspielen, Konzerten und Sportereignissen, wie der Olympiade 1936 oder einem Fußballspiel gegen Italien, sendete der Sender Paul Nipkow „didaktisch aufgebaute Demonstrations- und Ratgebersendungen, die oftmals mit dem moralischen Zeigefinger drohten oder den Volksgenossen […] zu reglementieren versuchten“(Winker 1994:225). Oft moderierten Hörfunksprecher und -reporter. Bis zur verstärkten Propagandatätigkeit zu Kriegsbeginn hingen die Themen der Sendungen zumeist von den Interessen und Schwerpunkten der jeweiligen Moderatoren ab. Sie hatten relativ freie Hand, da sie ohnehin durchweg auf Linie waren und ihre Parteitreue bereits im Radio unter Beweis gestellt hatten. Es ging beispielsweise um Rechtsratgeber, Kunst, Sport, Theater und Variéte; hierzu wurden immer häufiger auch Gesprächspartner ins Studio eingeladen und interviewt. Ab dem 1.November 1938 begann die Ausstrahlung der täglichen Sendung ZEITDIENST, in ihr waren regelmäßig Gäste im Studio, die zu möglichst „unpolitischen“ human-interest Themen befragt wurden und Auskunft gaben.(Winker 1994:227-29) Mit dem Ausbruch des Krieges und der verstärkten Propagandatätigkeit wurde das Programm jedoch immer genauer kontrolliert und geplant, der ZEITDIENST entwickelte sich „immer deutlicher zu einer allein im Studio gestalteten Sendung […]. Die Außenwelt kam hauptsächlich per Film über den Sender.“(Hickethier:51) Ebenso viele der Interviews, die sicherheitshalber vorgeschrieben aufgenommen wurde, anstatt live zu senden.
In den USA fanden sich, wie in Nazideutschland, unter den Moderatoren des Fernsehens viele erfahrene Rundfunksprecher. Erwähnenswert ist hier die 1945 von Martha Roundtree und Lawrnce E. Spivak eingerichtete Hörfunksendung MEET THE PRESS in der unter Leitung von Martha Roundtree wechselnde Journalisten, gewichtige Personen (u.a. Fidel Castro, Martin Luther King und Joseph McCarthy) befragten. Die Sendung wurde ab 1947 ins Fernsehen übernommen, ebenfalls unter Roundtrees Leitung. Sie galt als Vorbild für viele politische Talk und Interview Programme wie beispielsweise den deutschen PRESSECLUB.(Keller 2009:29-31)