Grundsätzliche Unterscheidungen
Im Folgenden sollen verschiedene Kriterien genannt werden, die Interviews in ihrer Konzeption, Durchführung und abschließenden Form beeinflussen, jedoch die im nächsten Abschnitt vorgeschlagenen Typen nicht erweitern, sondern vielmehr variieren. Da ihre Berücksichtigung dennoch unerlässlich ist, für die Art von Filmen und Interviews, die man machen möchte oder überhaupt machen kann, sollen sie hier kurz angerissen werden.
2.1 Wer spricht zu wem über was?
Bei der Durchführung eines Interviews sind mehrere Beziehungen zu beachten, die je nach ihrer Art Einfluss darauf haben, was gesagt wird und ob überhaupt ein Interview zustande kommt. Es gilt zu fragen, in welcher Beziehung der Interviewer zur abgefragten Thematik steht und welchen Zugang der Befragte zu derselben hat. Auch das Verhältnis zwischen Interviewer und Intervietem ist von Bedeutung. Alter, Geschlecht, sozialer Hintergrund und Hautfarbe (unter anderem) sind Faktoren die maßgeblich das Gelingen und die endgültige Form eines Interviews beeinflussen. Auch wenn all diese Dinge im später verwendeten und gezeigten Interview nicht unbedingt offensichtlich werden, müssen sie doch immer mitgedacht und eingeplant werden.
2.2 Umstände des Drehs
Wo, wann und unter welchen Bedingungen ein Interview geführt und gedreht wird beeinflusst im großen Umfang, was dabei schließlich herauskommt. Findet das Interview an einem für den Befragten vertrauten oder nicht vertrauten Ort statt? War das Interview geplant oder kam es spontan dazu? Arbeitet der Interviewer alleine oder findet die ganze Sache im Beisein einer Filmcrew statt? Wie gehen die Menschen mit der Präsenz der Kamera um? Je nachdem wie die Antworten auf diese und ähnliche Fragen ausfallen, verändert sich die Art des geführten Interviews und werden unterschiedliche Reaktionen oder Antworten zu erlangen sein. [Jean Lydall spricht in dem mit ihr für diese Seite geführten Interview ausführlich über die Bedeutung, die die Umstände des Drehs für den im Entstehen begriffenen Film haben]
2.3 Platz und Aufgabe im Gesamtfilm
Hier lassen sich drei mögliche Ebenen unterscheiden. Ein Interview kann ganz zu Beginn der Entstehung eines Filmes, in der Recherche- und Konzeptionsphase wichtig sein, wenn die Filmemacher mit den Menschen, über die sie einen Film machen wollen, sprechen, um in Erfahrung zu bringen, was und wo gefilmt werden sollte oder welche Aspekte es im späteren Film hervorzuheben gilt. Diese Interviews müssen nicht im späteren Film erscheinen, sondern liefern in erster Linie Ideen für dessen spätere Form.
Dann können Interviews genutzt werden, um einem Film ein „menschlicheres Gesicht“ zu verleihen, das heißt die Botschaft eines Filmes durch das Heranziehen von Äußerungen von Menschen zu verstärken oder glaubhafter zu machen.
Zuletzt können ein Interview oder Interviews den Kern des ganzen Filmes oder sogar den Film selber bilden. Filme wie Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin von André Heller und Othmar Schmiderer oder Cürük-The Pink Report von Bettina Braun zeigen dies recht eindrücklich.
2.4 Technische Gestaltungsmöglichkeiten
In diesem Zusammenhang ist besonders die lichttechnische Gestaltung zu erwähnen. Mit Licht lassen sich laut Achim Dunker (Dunker 2008, 15-20) 5 Dinge erreichen: mit Licht wird Räumlichkeit dargestellt und Strukturen hervorgehoben, es eignet sich zur Modulation, d.h. zum bestimmenden Moment der Bildkomposition, so dass Licht und Schatten das eigentliche Objekt des Bildes in den Hintergrund treten lassen, außerdem lässt sich mit ihm ein bestimmte Stimmung schaffen und es wird zu Charakterisierung verwendet, also bei der Darstellung bestimmter Rollen (Bsp.: weibliche Charaktere werden anders beleuchtet als männliche). Allein durch Licht lässt sich so schon eine Vielzahl an Variationen der Aussage und Darstellung erreichen. Ganz davon abgesehen, dass ohne Licht nicht mal ein Bild zu Stande käme.
Darüber hinaus beeinflusst die Anwesenheit der Scheinwerfer und das durchaus grelle, manchmal blende Licht die Befragten, aber auch die Interviewer und gehört damit auch zu den in Punkt 2.2 genannten Umständen des Drehs
Andere Faktoren, die auf der technischen Seite mit einzubeziehen sind, sind die Verfügbarkeit und Qualität der Aufnahmegeräte, sowohl für Bild als auch Ton, sowie deren Größe. Für Interviews, wie Günther Wallraff sie in seinen Filmen führt, ist es z.B. unerlässlich kleine und leicht zu verbergende Mikrofone und Kameras zu haben.
Hinzu kommen auch noch die Gestaltungsmöglichkeiten, die man hat, durch den Einsatz von beispielweise Blue- oder Greenscreens, wie sie für den Großteil der Interviews auf dieser Seite verwendet wurden. Generell lässt sich sagen, dass je mehr Technik für ein Interview zum Einsatz kommt, dieses wesentlich zeitaufwendiger und seine Atmosphäre formeller wird, sich dafür jedoch die Möglichkeiten der Bildgestaltung verbessern.